„Innerlich zerreißt es einen da schon manchmal“

Wie sich das Dominikus-Ringeisen-Werk gegen die vierte Corona-Welle stemmt

 

Datum: 03. Dezember 2021, 8:22 Uhr
Dominic Huber vom Dominikus-Ringeisen-Werk
Dominic Huber leitet den Corona-Krisenstab beim DRW: Schnelles Informationsmanagement ist eine seiner Hauptaufgaben

Ursberg / 3. Dezember 2021 – Bei Dominic Huber läutet wieder einmal das Smartphone. Den sechs Kolleginnen und Kollegen, deren Köpfe auf kleinen Fenstern auf dem Bildschirm seines Computers zu sehen sind, teilt er mit, dass er die virtuelle Konferenz kurz unterbrechen müsse, um ranzugehen. Keine ungewohnte Situation für den 40-Jährigen, der den Krisenstab des Dominikus-Ringeisen-Werks (DRW) in der Corona-Pandemie leitet. Irgendwer will immer etwas wissen. Kein Wunder. Mehrmals in der Woche gibt es neue Regelungen. Auf Huber und die weiteren Mitglieder des Krisenstabs verlassen sich die Kolleginnen und Kollegen. Der Krisenstab sammelt wichtige Informationen, stellt behördliche Erlasse und Verordnungen zusammen und kommuniziert diese in die Einrichtungen und Dienste eines der größten Sozialunternehmen Bayerns, das an rund 30 Standorten in drei Regierungsbezirken arbeitet.

Im Sommer hatte sich die Pandemielage etwas entspannt, da konnte auch mal Arbeit erledigt werden, die in der seit nunmehr 21 Monaten andauernden Ausnahmezeit liegen geblieben war, erzählt Huber. Ab Mitte September sei es dann aber schon wieder losgegangen mit steigenden Corona-Fallzahlen im DRW. Jetzt arbeiten Huber und der gesamte Krisenstab – wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Betreuung auch – wieder in nahezu 100 Prozent ihrer Arbeitszeit bis in den späten Abenden und am Wochenende daran, Corona in den Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, in Werk- und Förderstätten und in den Altenheimen des DRW so gut es geht unter Kontrolle zu halten und die Betreuung zu sichern: Das Virus hält sich nicht an Arbeitszeitregelungen.

Hohe Infektionszahlen im November

„Die vierte Corona-Welle hat uns mit voller Wucht getroffen“, sagt Dominic Huber. „Im Vergleich mit den Wellen davor hat es uns diesmal stärker erwischt“, berichtet er. So kam es Anfang November zu einem Ausbruch im Seniorenheim St. Anna in Pfaffenhausen im Unterallgäu. Alleine 21 von 33 Bewohnern waren infiziert. Ein großer Teil des Personals ebenso. Langsam normalisiert sich die Lage hier wieder. Dominic Huber hat für den November die bisher höchsten Infektionszahlen im Gesamt-DRW zu vermelden: „Es wurden uns rund 370 Fälle unter Klienten, Schülern und Mitarbeitenden gemeldet“, berichtet er. Im November 2020 war es DRW-weit dagegen im Vergleich eher eine geringe Anzahl von 150 Personen, die erkrankt war. Die Hauptgründe für diesen Anstieg sieht Huber in der deutlich ansteckenderen Delta-Variante sowie den fehlenden gesellschaftlichen Kontaktbeschränkungen. Die Folgen der vierten Welle sind spürbar. Hatte man in den ersten drei Wellen insgesamt nur zwei Todesfälle zu beklagen, die in Zusammenhang mit Covid-19 standen, so seien es in diesem Herbst bereits sechs Klientinnen und Klienten mit Vorerkrankungen, um die die DRW-Familie trauere, so Huber.

Ursberg: Bisher kein flächendeckender Ausbruch

Auch am DRW-Standort Ursberg, der durch viele ganz unterschiedliche Einrichtungen mit vielen verschiedenen Menschen auf relativ engem Raum gekennzeichnet ist, gab es in zwei Einrichtungen Ausbruchsgeschehen, die viele Wohngruppen in diesen Häusern über längere Zeit in die Quarantäne gezwungen haben. „Gottlob gab es in Ursberg aber bisher keinen flächendeckenden Ausbruch“, so Dominic Huber. Gleichwohl lodern hier die Infektionen an verschiedenen Stellen auf: Immer wieder sind Schüler und Lehrer der vier Förderschulen betroffen und müssen – teilweise als ganze Schulklasse – in Quarantäne gehen. Im Kindergarten St. Lucia wurde Anfang November vorübergehend eine Gruppe geschlossen. Seit Mitte November sind alle Gruppen aber wieder regulär geöffnet. Seit drei Wochen sind in Abstimmung mit dem Landratsamt Günzburg die Ursberger Werk- und Förderstätten für die Bewohnerinnen und Bewohner am Standort vorübergehend geschlossen, zunächst bis Mitte Dezember. „Das haben wir gemacht, um Infektionsketten zwischen verschiedenen Einrichtungen zu unterbrechen. Zudem setzen wir dadurch frei gewordenes Personal in den Wohneinrichtungen ein, das durch die Quarantäne-Ausfälle in stark betroffenen Wohngruppen dringend gebraucht wird“, erklärt Dominic Huber.

Jeder sollte Kontakte einschränken

Dass diese Entscheidung ähnlich harte Lebenseinschränkungen für Menschen mit Handicap nach sich zieht wie im ersten Corona-Winter, bewegt Dominic Huber sehr: „Die Fußball-Stadien sind voll, ohne Maske, ohne Abstand. In unseren Einrichtungen hingegen betreiben wir mit großem Aufwand Infektionsschutz in allen Bereichen und reduzieren physische Kontakte, wo immer dies möglich ist. Das passt nicht zusammen. Die staatlichen Vorgaben für Gemeinschaftseinrichtungen sind sehr streng. Unsere Klienten müssen auf ihren Gruppen bleiben, damit sie sich möglichst nicht infizieren. Innerlich zerreißt es einen da schon manchmal. Es ist für uns daher wichtig, dass sich die Einsicht durchsetzt, dass jeder einzelne sich solidarisch verhalten und seine Kontakte einschränken sollte.“

Impfangebote an Mitarbeitende

Die Impfquote unter den Betreuten im Gesamt-DRW ist mit über 90 Prozent relativ hoch. Die der Mitarbeitenden bewegt sich im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung bei rund 70 Prozent. Auch hier gebe es große Unterschiede in einzelnen Einrichtungen und Arbeitsbereichen, sagt Dominic Huber. Damit sich das ändert, investieren der Krisen-Manager und weitere Leitungskräfte viel Zeit, um beispielsweise in Absprache mit dem Impfzentrum Günzburg mobile Impfteams nach Ursberg zu holen, um den Mitarbeitenden vor Ort ein Angebot machen zu können. Auch für die Booster-Impfungen kamen und kommen an vielen DRW-Standorten mobile Impfteams direkt in die Einrichtungen vor Ort. „Wir möchten es unseren Mitarbeitenden so einfach wie möglich machen, sich entweder zum ersten Mal gegen Corona impfen zu lassen oder den Booster zu erhalten“, erklärt Dominic Huber. Denn, dass es trotz zahlreicher Infektionen meistens bei milden Krankheitsverläufen geblieben ist, rechnet er vor allem der Wirkung der Vakzine zu. „Impfen schützt“, wird Huber nicht müde zu betonen.

Starke Belastung und ein Hoffnungsschimmer

„Unser Personal ist sehr belastet“, berichtet Huber. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beweisen eine enorme Flexibilität in der Dienstabdeckung und in der Vertretung ausgefallener Kolleginnen und Kollegen. Die kollegiale Solidarität im DRW ist großartig. Auch unsere Leitungskräfte sind an sieben Tagen in der Woche im unermüdlichen Corona-Einsatz.“ Dazu kommen die täglichen Testungen und der damit verbundene hohe Organisations- und Dokumentationsaufwand in den Einrichtungen. Auch Besucher müssen einen negativen Test vorlegen können. All das muss kommuniziert, vorbereitet, organisiert, umgesetzt und kontrolliert werden – ohne dass dem DRW hierfür zusätzliches Personal zur Verfügung gestellt wird. Auch in die Beschaffung von großen Mengen an Schnelltests und Schutzmaterial investiert die Einrichtung viel Zeit und Geld. Ein Hoffnungsschimmer bedeutet für Huber die aktuelle Corona-Statistik der letzten Tage. Danach ist der Anstieg der Infektionen in Bayern leicht abgeflacht. Ob daraus auch wirklich eine Trendumkehr wird, werden erst die kommenden Tage und Wochen zeigen. Dazu brauche es aber umgehend weitere Kontaktbeschränkungen. Dominic Huber meint noch, dass sich die Lage so auch im DRW hoffentlich bald wieder etwas beruhigen könne und muss dann schon wieder den nächsten Anruf entgegennehmen.

Zu den aktuellen Corona-Infos des DRW

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